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Bürger-meisterliches und ein paar Gedanken dazu

Der Oberbürgermeister der Stadt Altenburg, Michael Wolf, leistete etwas wahrhaft Meisterliches: mit seiner Rede beim Neujahrsempfang der Stadt Altenburg zeigte er sich als kämpferischer Staatsmann, Praktiker und Visionär zugleich.

Nicht nur dem Pflasterstolperer fiel auf, wie weit sich der OB wagte: Die Bürger der Stadt Altenburg leben ja bisweilen in einer fragwürdigen Selbstzufriedenheit, die Innovationen oftmals behindert. In dieser Situation ist es mutig, auf die Zukunft hinzuweisen: Sie müsse gestaltet werden, heiß das Motto der Veranstaltung - oder präzis nach Einstein: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben“.

Lassen Sie m ich ein paar Worte dazu ergänzen:

Am Willen, die Zukunft mutig voranzutreiben, fehlt es dem Bürgermeister nicht – eher schon einzelnen Bürgern, die zwar nicht näher genannt wurden, die aber offenbar durch Querelen der Vergangenheit Fortschritte in der Stadt verhindern wollten. Man wird in Zukunft genau hinhören und hinsehen müssen, wo die Verhinderer sich verstecken, denn wir alle „gedenken in der Zukunft zu leben“ – und die Einstellungen in der Stadt, die dies verhindern, müssen verdeutlicht werden.

Die Zukunft gehört nicht den Zögerern und Zauderern, sondern allen Menschen, die das Leben mutig anpacken, wobei Gemeinnutz und Eigennutz keine Widersprüche sind. Das gilt auch für Altenburg: Ohne Investoren keine Altbausanierung – und wer heute die Teichstraße oder auch Teile der Moritzstraße ansieht – beide im Fokus der Besucher und historisch durchaus interessant – der weiß, dass es hier noch viel zu tun gibt, um das Ansehen der Stadt zu stärken. Es kann nicht angehen, dass ein Besucher sagt: „Ich habe noch selten eine so traurige aussehende Stadt mit so viel historischem Potenzial gesehen“.

Oft ist es nicht nur das Äußere, das in Altenburg einen unschönen Eindruck hinterlässt: Bei einem recht großen Teil der Geschäftswelt ist noch nicht angekommen, dass der Klient, Kunde und Bürger im Zentrum des Geschehenes stehen muss – und nicht irgendwelche „Prinzipien“. Ich habe verschiedentlich beobachten können, wie Menschen, die dem Altenburger fremd sind (auch Deutsche und Europäer) mit Argwohn betrachtet werden – doch gerade diese Menschen bringen neue, frische Ideen in die Stadt, die Altenburg für die Gestaltung der Zukunft unbedingt braucht.

In Altenburg steht demnächst die Neuwahl des Oberbürgermeisters an. Ein neuer Kandidat hat sich ins Rennen gebracht, von dem viel zu lesen war – doch obgleich die örtliche „Osterländer Volkszeitung“ seiner Kandidatur viel Raum widmete, blieben seine Aussagen und Kritiken im „Atmosphärischen“ hängen. Der Pflasterstolperer ist nicht lange genug in der Stadt, um dies bewerten zu können – er muss es aber auch nicht. Denn es ist eben nicht die Vergangenheit, um die es geht – es ist die Zukunft – und in ihr werden wir leben.

Die Altenburger und das Internet – nichts finden, nicht gefunden werden

Das Leben in der Kleinstadt geht über mehrere Ebenen: In erster Linie stehen da alte und neue Seilschaften. Mit dem Elektriker ist man schon zur Schule gegangen, der Lehrer kennt den Schreiner schon als Schüler, die Bankprokuristin ist im selben Kränzchen wie man selbst und den Arzt kennt man aus einem der Kulturvereine. Das ist eine Ebene, die dem Neubürger in der Regel verschlossen ist.

Die andere Ebene ist diejenige, die zwar immer noch eher kleinstädtisch, aber immerhin bereits nach außen offen ist: Zeitungswerbung ist das Mittel der Wahl, und weil es in der Kleinstadt selten etwas wirklich Interessantes zu berichten gibt, werden dann (beispielsweise) Restaurants vorgestellt.

Kein Euro mehr Umsatz durch das Internet?

Die dritte Ebene ist neu – zu neu für manche Gewerbetreibende, Handwerker, Gastronomen, Dienstleister und Ärzte. Gemeint ist das Internet. Teils meint man, nichts selber finden zu müssen, teils will man erst gar nicht gefunden werden. Das Lamento örtlicher Gewerbetreibender klingt mir in den Ohren nach: „Ich mache keinen Euro mehr Umsatz, wenn ich einen Internet-Auftritt habe.“

In meinen Ohren klingt das so: „Ich mache keinen Euro mehr Umsatz, wenn wir am Mittwoch (oder meinetwegen Samstag) Nachmittag geöffnet haben.“ Nun gut: Warum schließt man dann nicht gleich auch am Montag, Dienstag und Donnerstag? Wer glaubt, auf Interessenten verzichten zu können, könnte ja auch solche Ideen verfolgen.

Wer seien Chance nutzt, hat Vorteile im Internet

Es gibt andere Beispiele: Manche Firmen in kleineren Städten (auch in Altenburg) erzielen bereits gegen 30 Prozent ihrer Aufträge aus dem Internet. „Für uns ist das Internet heute unerlässlich“, sagte mir vor einigen Tagen die Angestellte einer innovativen Branche in der Stadt. Auch andere können davon profitieren – aber sie haben die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt, denn auch der Altenburger Bürger kauft bereist im Internet all das, von dem er glaubt, dass es der örtliche Handel nicht hat.

Innovativ sein hält den Umsatz in Altenburg

Der örtliche Handel? „Ich glaube nicht, dass sie dieses Produkt in Altenburg bekommen“ „Da muss ich erst den Vertreter fragen, wenn er mal wiederkommt“. Hält dies der Handel für ein „attraktives Angebot“?

Altenburger Händler und Dienstleister, Hoteliers und Gastronomen, aber auch Handwerker und Ärzte sollten umdenken: Es bleibt nicht beim gegenwärtigen „großen Boom“ im Handwerk, bei dem man Interessenten großzügig aufs „nächste Jahr“ vertrösten kann. Selbst, wenn es unwahrscheinlich erscheint: Auch die Ärzteschaft kann ich nicht in aller Zukunft darauf berufen, dass die Praxen ohnehin überfüllt seien.

Ein großer Teil der Bürger trifft im Internet eine Vorauswahl – und entscheidet, ob Dienstleistung oder Waren vor Ort gekauft werden oder im Internet. Wenn es für den Kunden bequemer, schneller und freundlicher ist, im Internet zu wählen, dann bleibt er dort – und fährt vielleicht für eine gute Dienstleistung gar nach Leipzig, statt sie in Altenburg in Anspruch zu nehmen.

Es lohnt sich also, noch einmal nachzudenken, ob man sich für die Zukunft wappnen will oder darauf hoffen, dass die „alten“ Altenburger ihr Verhalten schon nicht ändern werden – und die neuen Kunden? Ach, die gehen vielen (viel zu vielen, wie ich meine) Altenburgern immer noch kalt den Rücken herunter.

Hinweis: Der Autor ist freier Schriftsteller und Texter in Altenburg mit Spezialität Webcontent.

Das Ärgernis: Wir nehmen keine neuen Patienten mehr auf!

Es ist ein Ärgernis, und es wird zulasten der wenigen Neubürger in Altenburg ausgetragen: Haus- und Fachärzte „nehmen keine Patienten mehr an“.

Was dies für die Neubürger bedeutet, mag jeder selbst ermessen: Der Standort Altenburg wird dadurch jedenfalls kaum attraktiver, der Zuzug eher zu einem Gesundheitsrisiko. Die Ärzte sind schnell bei der Hand, wenn es um eine plausible Erklärung geht – sie verweisen auf die „Kassenärztliche Vereinigung“ – im „Durchblick“ kann man nachlesen, wie das Ganze funktioniert: Bürokratie zulasten der Patienten.

Zitat:

Erdacht hat diese bürokratische Missgeburt aber gar nicht die Krankenkasse, sondern die Kassenärztliche Vereinigung (KV).


Sicher ist das alles so – und aus der Sicht aller Ärzte, Arztverbände und sonstigen Träger der Macht oder Ohnmacht im Gesundheitswesen, die daran beteiligt sind, auch durchaus verständlich. Aber es ist dennoch ein Affront gegen die Bürger der Stadt, insbesondere gegen die Neubürger. Denn die Aussage: „Wir nehmen keine neuen Patienten mehr an“ ist etwa gleichbedeutend mit „Was haben Sie in dieser unserer Stadt eigentlich zu suchen? Gehen sie doch woanders hin!“

Ja, was hat man eigentlich in einer Stadt zu suchen, die so wenig auf Neubürger eingestellt ist, sie aber dennoch dringend benötigen würde? Das fragt sich nicht nur der Pflasterstolperer – das fragen sich kopfschüttelnd viele der wenigen Neubürger. Langfristig dürfte dieser unhaltbare Zustand zu einem Fiasko für eine Stadt führen, die nicht gerade mit Neuzuzügen gesegnet ist.