Skip to content

Sie ziehen wohl aus?

„Oh, würden Sie ihren Wagen bitte dort nicht parken?“ Ich bin sehr höflich, wenn ich Menschen in Altenburg bitte. Mal wird dies goutiert, mal nicht. Die junge Dame, die das Fahrzeug geparkt hatte, sah erstaunt auf, und ich erkläre ihr: „Wissen Sie, morgen kommt hier ein ziemlich großer Möbelwagen, da würde ich sehr gerne der Platz frei halten“.

Die junge Dame ist kooperativ und lässt sich, wie in Altenburg üblich, auf ein kurzes Gespräch ein. „Sie ziehen wohl aus, wo ziehen Sie den hin?“ Ich antworte: „Oh nein, ich ziehe hier ein.“ Die Dame sieht mich einen Moment mit dem etwas verhangenen Blick an, mit dem man üblicherweise Psychiatriepatienten gegenübertritt. „Sie ziehen wirklich nach Altenburg?“
„Ja, wirklich …“

„Wo kommen Sie denn her, nach der Sprache aus Holland?“

Ich musste lächeln. Als ich nach Ungarn zog, fragten mich alle Leute, „ah, da ziehen Sie zurück in die Heimat, nicht wahr?“, und immer, wenn ich in Hannover war, hielten mich die Niedersachsen für einen Südeuropäer.

Aber davon will ich nicht erzählen: es ist mindestens das fünfte Mal, dass mich einer der Altenburger Bürger ansieht, als wäre ich meschugge, wenn ich sage: „Ja, ich ziehe nach Altenburg“.

Ich notiere mir mal:

Man muss nicht unbedingt meschugge sein, um nach Altenburg zu ziehen, aber offenbar ist es auch nicht völlig normal, hier herzuziehen.

Erfreulicher Behördengang

Mein erster Gang zu einer Behörde in Altenburg war das Gegenteil von dem, was ich befürchtet hatte: Dort graue Gesichter zu sehen. Man begegnete mir mit ausgesuchter Höflichkeit, obgleich ich nicht alle Unterlagen vorweisen konnte, die mein Anliegen stützen würden. Aber man gab mir den richtigen Rat.

Was ich noch erwähnen sollte: Die Dame, die mich empfing, war redlich bemüht, mir zu helfen, entschuldigte sich, dass sie derzeit nicht mehr für mich tun konnte, und lächelte freundlich.

Erstaunlich – ich bin seither bei Behördengängen häufiger angelächelt worden als in Ladengeschäften. Ich notiere mir:

Damen, die bei Behörden in Altenburg angestellt sind, können außerordentlich charmant sein.

Ein erster Kontakt mit einer Ur-Altenburgerin

„Sie wollen doch nicht wirklich hierher ziehen“ … das „hier her“ klingt bei der Dame wie der Sirenenton eines Krankentransports. „Um Himmels willen, überlegen Sie sich das noch mal.“

Nun gut, es war lange schon entschieden. Das Haus stand in sinnloser Weise so gut wie leer, was nie positiv für den Erhaltungsstand eines Hauses ist und es gab noch eine andere wundervolle Fügung, also warum nicht? Doch das reichte der Dame nicht. „Wollten Sie wirklich hierherziehen?“, fragt sie mich noch einmal beschwörend. Ich antwortet leise: „Oh, wissen Sie, ich gehe dorthin, wo meine Frau hingeht – ich bin ein „Trailing Husband“.

Sie starrte mich aus mitleidigen Augen an, gerade solange, dass es nicht peinlich wurde. Dann schüttelte sie den Kopf und sagte: „Na, wenn Sie sich das mal richtig überlegt haben – da hätten Sie doch an die Ostseeküste ziehen können.“

Ich hätte vielleicht sagen sollen: „Dies hier ist nicht mein Altersruhesitz, dies wird jetzt mein Domizil."

Ich notiere mir:

Manche Altenburger finden ihre Stadt so schrecklich, dass sie vor dem Zuzug warnen.