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Rote Nebel über Thüringen – oder Lichtgestalt Ramelow?

Bevor ich mich politisch äußere, gehe ich gerne über den Markt. Oh, es gibt sie weiterhin: Thüringer Würste mit Thüringer Senf. Soviel hat die Wahl von Bodo Ramelow zum ersten linken Ministerpräsidenten also nicht verändert. Doch die Gespräche auf dem Markt zeigen: Nun liegt roter Nebel über Thüringen. Kaum jemand weiß, was die neue Regierung will oder kann, und nur wenige trauen ihr etwas zu. „Das Regieren wird wohl schwer werden, aber ich denke, sie schaffen es, das Land zu verwalten. Das ist auch wichtig.“ Ein Satz aus dem Nebel, der vermutlich mehr Wahrheit beinhaltet, als es der neuen Regierung lieb sein kann.

Nein, da fehlt eindeutig das proletarische Triumphgeschrei, das viele erwartet haben, wenn zum ersten Mal ein dunkelroter Ministerpräsident gewählt wird. Möglich, dass diejenigen Thüringer, die immer noch der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands nahestehen, nicht viel halten von Bodo Ramelow - den die "Frankfurter Rundschau" als den „Gemäßigtsten der Gemäßigten in der Linkspartei“ bezeichnete.

Wie kam es, dass die Linkspartei, die immer noch eher die SED-Nachfolgepartei gilt, in Thüringen zu so viel Macht bekam?

Die Linkspartei profitiert vom Versagen der CDU und der Schwäche der SPD

Da wäre zunächst die Vorgeschichte: Die CDU in Thüringen stellet zwar bisher die Ministerpräsidentin, doch fehlte es ihr als Person und der CDU als Partei an Profil. Ein bisschen Bürgerlichkeit, ein bisschen Christentum, die Werte von Ehe und Familie - das begeistert auf Dauer keinen Menschen im Osten. Hinzu kommen die Unzufriedenen von überall, aber eben auch vom rechten Rand. Von dort also, wo die Demokratie dem Kanarienvogel des Bergmanns gleicht: Zuerst sterben ein Paar Freiheiten, dann stirbt auch der Rest der Demokratie. Auf der anderen Seite sieht es ebenso kläglich aus: Die SPD ist in einem beklagenswerten Zustand, weil sie in Ostdeutschland keine Verankerung in der Arbeiterschaft und der kritischen Bürgerschaft hat. Bliebe also die Linkspartei, die heute als eine Art „Heimatpartei des Ostens“ angesehen wird. Viele Thüringer identifizieren sich mit ihr so stark wie mit der Rostbratwurst. Deshalb wählt man sie. Kaum jemand der vielen Linkswähler wollte vermutlich den gemäßigten Ramelow wählen, aber nun hat man es eben die Linkspartei gewählt, weil man im Herzen immer noch „DDR“ ist.

Am Ende wurde Bodo Ramelow also zum Ministerpräsidenten gewählt – niemand hat es mehr verhindern können, und vermutlich hat es auch niemand mehr verhindern wollen, zumal die „alte Tante CDU“ am Ende nur noch das erbärmliche Bild eines politischen Trödlers hinterließ. Aus dieser Sicht steht Bodo Ramelow als Person tatsächlich wie ein Hoffnungsträger da. Nun muss er nur noch politisch wirksam werden, muss beweisen, dass ein Mann ohne einschlägige Erfahrung, mit Gegnern in der eignen Partei und zwei Koalitionspartnern, auch zum Regieren bereit ist.

Interessant für die Betrachtungen außerhalb Thüringens: Der politische Kommentator der „Frankfurter Rundschau“, Stephan Hebel, reklamiert bereits, dass Ramelow möglicherweise nicht „links genug“ ist und behauptet, „dass … auch im demokratischen Spektrum noch Platz ist links von Ramelow.

Es ist Stephan Hebels gutes Recht, dies zu schreiben. Aber er deckt damit auf, dass der Kommunismus von vielen Redakteuren nicht als Gefahr, sonder, als demokratischer Segen angesehen wird. Und das geht mir einen Schritt zu Weit, zumal, wenn man dies aus einer westdeutschen Redaktionsstube heraus schreibt. Was wäre wohl, wenn ein Redakteur in Deutschland geschrieben hätte: „Es gibt im demokratischen Spektrum noch einen Platz jenseits von Bernd Lucke?“

Abgesehen von der Lobpreisung aus dem deutschen Westen - noch liegt viel roter Nebel über der zukünftigen Politik in Thüringen. Wem es ein Trost ist: 34 Prozent Thüringens bestehen aus Wald. Dem schadet der Nebel nicht. Und man wir wohl schaffen, die restlichen 66 Prozent noch irgendwie zu verwalten.

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